Schlafwandelnde ahnungslose Zombierepublik Deutschland. Offener Brief, 11.06.2017

Sehr geehrter Herr Bundestagspräsident,
Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin,
Sehr geehrter Herr Bundesfinanzminister,
Sehr geehrter Herr Bundesverkehrsminister,
Sehr geehrter Herr Rohde,
Sehr geehrte JournalistInnen,

ich sehe zwischen dem Verhalten der Bundestagsverwaltung im Vorgang "Deutscher Preis für Onlinekommunikation" und der Ahnungslosigkeit von Beamten in anderen Bundesbehörden in den Vorgängen Cum-Ex-Raub, Abgasmanipulation oder NSA-Affäre einen direkten Zusammenhang. Volksmündlich lässt sich das Phänomen mit dem Sprichwort "Was ich nicht weiss, macht mich nicht heiss" auf den Punkt bringen.

Die Bundesbeamte drücken scheinbar sehr sehr fest die Augen zu, um im nachhinein glaubhaft sagen zu können "Das habe ich nicht gewusst". Beliebt ist auch die Haltung "Ich kann mich nicht mehr erinnern". Für mich liegt es auf der Hand, dass die JournalistInnen wesentlich dazu beitragen, dass die Staatsbedienstete in den höchsten Ämtern der Bundesrepublik Deutschland mit so einem Ahnungslosigkeit-Gebaren erfolgreich durchkommen.

Statt sich mit der Realität auseinanderzusetzen und nach Lösungsansätzen und Lösungen zu suchen wird die Realität beschönigt bzw. die Wahrnehmung der Realität verweigert. Wenn ich über das Verhalten der führenden Politiker im Kontext der aktuellen Ereignisse nachdenke, dann finde ich, dass mit "Schlafwandelnde ahnungslose Zombierepublik" die Zustände in Deutschland zutreffend beschrieben sind. Plakativ in dieser Hinsicht ist der locker-gleichgültige zum Teil schamloser Umgang der Eliten, darunter der politisch Verantwortlichen mit dem Thema Cum-Ex-Geschäfte, bei den dem Staat mehrere Milliarden Euro geraubt wurden.

"Die Legislative und Exekutive sammeln das Geld der Steuerzahler in Deutschland in die Staatskasse ein. Und coole Jungs aus der Finanzwelt schaffen es mit ein Paar Tricks dieses Geld aus der Kasse zu entwenden - weil das Geld halt schlecht bewacht wird." - das ist das Bild, das vor meinem geistigen Auge nach den Medienberichten zu den Cum-Ex-Geschäften entstanden ist. Die Gesellschaft wurde gezielt und ganz bewusst globalisiert - was auch immer damit gemeint ist. Nur ist scheinbar niemand von den politisch Verantwortlichen auf die Idee gekommen, dass die Globalisierung nicht nur Chancen, sondern auch erhebliche Risiken mit sich bringt. Bspw. das Risiko, dass die Staatskasse geplündert wird und der Staat keine Handhabe gegen die international agierende Räuber hat.

Wissenschaftler, die Gutachten für die Streuertrickser erstellt haben, bescheinigen dem milliardenschweren Betrug eine Legalität, die hochbezahlten Politiker bescheinigen sich und den hochbezahlten Beamten in den Finanzbehörden eine Unschuld. "Dieser Untersuchungsausschuss war nicht erforderlich. Alle zuständigen Stellen, das Bundesfinanzministerium wie seine nachgeordneten Behörden, hätten "sachgerecht und pflichtgemäß" gearbeitet.", zitiert die Zeit aus den Unterlagen des Cum-Ex-Untersuchungsausschusses. In einer Anhörung vor dem Cum-Ex-Untersuchunsausschuss begründen Sie Herr Bundesfinanzminister, die zögernde Abschaltung von krummen Cum-Ex-Geschäften damit, dass "Cum-Ex-Deals waren außergewöhnlich komplex". Diese Begründung nehme ich als Laie Ihnen nicht ab. Ich erinnere mich in diesem Zusammenhang an die Ad-hoc-Maßnahmen für die Rettung von krieselnden Banken, die vermutlich auch nicht ganz trivial gewesen sind.

Was dabei auffällt, dass bei anderen skandalträchtigen Themen, bspw. bei angeblich ausschließlich von russischsprechenden Mitbürgern praktiziertem Pflegedienstebetrug die Medien und die Poltiker über Medienhäuser- und Partei-Grenzen hinweg eine jahrelang andauernde Kampagne fahren, die durch wenig gerichtsfeste Fakten, dafür aber durch eine Menge Vorverurteilung und viel Aktionismus sich bemerkbar macht.

Eine Frage, die mich beschäftigt, ist: Was muss passieren, damit dieser jahrzehnte langer einem schlafwandelnden Zombie ähnlicher Zustand der Politiker und Journalisten im öffentlich-rechtlichen Rundfunk sich ändert und die Politiker wie Journalisten ihrer Verantwortung stellen und endlich anfangen im Interesse der Allgemeinheit zu handeln? Es ist wünschenswert, dass die Politik und die Medien die rauschende Party in der Finanzwelt beenden bevor das schlafwandelnde Deutschland in irgendein Abgrund abrutscht.

Von den hochrangigen Politikern hört man immer wieder, bspw. im Cum-Ex-Untersuchungsausschuss, bei den Untersuchungen zu der Abgasmanipulation oder zu NSA-Aktivitäten - "Das habe ich nicht gewusst." Nur wenn der Gesetzgeber die Whistleblower, die Hinweisgeber ausreichend schützt, hat man eine Chance dass dieser Zustand der Ahnungslosigkeit sich bessert.

Quellenverzeichnis